Totholzhaufen und Eiersuche
Der WWF Deutschland und das Wasserwirtschaftsamt Weilheim beteiligten sich – in Kooperation mit dem Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen und der Jugendsiedlung Hochland – mit einem Infostand am Kanu- & OutdoorTestival des Bayerischen Kanu-Verbands in Oberschleißheim. Dazu hatte das Wasserwirtschaftsamt auf dem Gelände der Regatta-Anlage einen beachtlichen Totholzhaufen abgeladen und Kies aufgeschüttet. Ergänzt wurde die „Flusslandschaft“ mit Eiattrappen und Comic-Zeichnungen, welche die Konflikte zwischen Freizeitnutzung und Naturschutz thematisierten. So konnte den Freizeitsportlern die Bedeutung vielfältiger Strukturen in Fluss und Uferbereich anschaulich erläutert werden.
„Seit Jahren schafft das Wasserwirtschaftsamt Weilheim zum Beispiel an der Isar zusätzliche Lebensräume für Fische“, erläuterte Roland Kriegsch, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes (WWA) Weilheim. „Hierfür bringen wir gezielt Geschiebe und Totholz ein. In strömungsarmen Gewässerbereichen bieten Totholzhaufen gerade Jungfischen wertvollen Schutz vor Fressfeinden.“ Aufgrund der starken Regenfälle in den vergangenen Tagen und der mit den steigenden Temperaturen vermehrt einsetzenden Schneeschmelze führt die Isar derzeit viel Wasser und auch Totholz. Nach Ablauf des Hochwassers bilden sich natürlicherweise dort wieder neue Lebensräume, wo Totholz und Geschiebe liegen bleiben. Gerade für wenig versierte Bootsfahrer kann das mit der Strömung transportierte, aber auch das bereits abgelagerte Totholz, zu einer Gefahr werden. „Wesentliche Anteile des Schwemmholzes könnten unter Wasser liegen, für die Bootsfahrer nicht sichtbar sein und zu gefährlichen Strömungen führen“, warnt Kriegsch. „Jeder Bootsfahrer sollte sich deshalb vor seiner Tour mit dem Gewässer vertraut machen.“
WWF Deutschland und WWA war es ein gemeinsames Anliegen, beim OutdoorTestival über die Bedeutung von natürlichen Strukturen und Totholz im Fluss aufzuklären. „Wir wollen, dass die Isar als wilder Fluss wahrgenommen und respektiert wird. Grundvoraussetzung für die Befahrung des Flusses sind neben der richtigen Ausrüstung auch ein sicheres Fahrvermögen“, so Sigrun Lange vom WWF Deutschland. „Der ökologische Zustand der Isar lässt zu wünschen übrig“, fügt Robert Wenzelewski von der Jugendsiedlung Hochland hinzu. Er empfiehlt, die Renaturierungsarbeiten des Wasserwirtschaftsamtes zu respektieren und zu unterstützen. Und klar ist für ihn auch: „Müll und Lärm gehören nicht in den Naturraum!“
Die erst im April erlassene Bootsverordnung des Landratsamts Bad Tölz Wolfratshausen sorgte für rege Diskussionen beim OutdoorTestival. Etliche Bootsfahrer bemängelten die Totalsperre der Isar im Landkreis Bad Tölz Wolfratshausen von Mitte Oktober bis Ende Mai und bezweifelten, dass diese Regelung positive Effekte für die Fischbestände mit sich bringen würde. Sie fühlen sich zu Unrecht „bestraft“ und kritisierten, dass die Bootsfahrten im Sommer kaum reglementiert werden. Eine aktuelle Petition fordert, die Fahrverbote im Winterhalbjahr zurückzunehmen. Zudem will der Bayerische Kanu-Verband Klage gegen die Bootsverordnung erheben. Allerdings müssten dies Einzelpersonen tun, denn Verbänden ist es grundsätzlich nicht erlaubt, gegen Verordnungen zu klagen. Die Stimmung ist also aufgeheizt. Joachim Kaschek von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Bad Tölz Wolfratshausen stand den Freizeitnutzern beim OutdoorTestival dennoch Rede und Antwort. Er verwies auf die Laichzeit kieslaichender Fischarten, wie Bachforelle, Äsche oder Huchen, im Winterhalbjahr. All diese Arten sind mittlerweile selten geworden, weil unsere Flüsse reguliert und durch Wehre und Kraftwerke unterbrochen wurden, weil der Kies fehlt, weil die Dynamik fehlt und vielleicht auch, weil auf den verbleibenden wenigen Kiesflächen im und am Fluss der Druck der Freizeitnutzer groß geworden ist. Kaschek erläuterte, dass im Naturschutzgebiet „Isarauen“ unterhalb von Bad Tölz sogar bis zum 31. Dezember gefahren werden darf. Denn in diesen Abschnitt ist die Bachforelle (Laichzeit Oktober bis Januar) aufgrund des Bachforellensterbens ohnehin nicht mehr vorrangig vertreten. Eine FFH-Verträglichkeitsstudie soll nun für besonders gefährdete Fischarten wie den Huchen, aber auch für kiesbrütende Vogelarten, wie den Flussuferläufer, klären, welche Störwirkungen die Bestände negativ beeinflussen könnten.
Dass es Vogelarten, wie Flussuferläufer und Flussregenpfeifer, nicht leicht haben, wurde den Besuchern des Kanu- & OutdoorTestivals sehr anschaulich verdeutlicht: Jung und Alt suchte voller Eifer nach den Eiattrappen, die in den Kies gelegt wurden. Einfach zu finden waren sie nur für Wenige. Die Tarnung ist zu perfekt. Damit wurde allen klar: Draußen an der Isar würde jeder noch so rücksichtsvolle Besucher mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Eier treten, wenn die Kiesbänke mit brütenden Vogelpaaren nicht von Isarrangern und Gebietsbetreuern alljährlich mit Bändern abgesperrt und mit Schildern markiert würden. Gerade jetzt nach dem Hochwasser auf der Isar haben es die Vögel besonders schwer. Viele Eier wurden vermutlich in den Wassermassen begraben – die Vögel müssen noch einmal von vorne beginnen.
Der Informationsstand von WWA und WWF Deutschland im Rahmen des Projekts „Alpenflusslandschaften“ (mit Unterstützung der Kollegen des Landratsamts Bad Tölz Wolfratshausen und der Jugendsiedlung Hochland) hat ein Stück weit zum tieferen Verständnis der ökologischen Zusammenhänge, aber auch zum Dialog zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen beigetragen. Ein Dankeschön an den Bayerischen Kanuverband und die Organisatorin des OutdoorTestivals, Uschi Zimmermann, für das aktive Bemühen, Naturschutzaspekte in die Veranstaltung zu integrieren. Und vielen Dank auch an den Landesfischereiverband und den Landesbund für Vogelschutz für die Bereitstellung eines Info-Plakates zu Fischen bzw. eines Vogelbrutschildes für die Veranstaltung.
Sigrun Lange
Fotos: Uschi Zimmermann (BKV), Sigrun Lange (WWF); Comic: Britta Kussin